08.01.2015

Positive Stimmung im heimischen Handwerk

Landrat Andreas Müller zu Gast auf der Delegiertenversammlung der Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd


Landrat Andreas Müller bei seiner Antrittsrede vor den Delegierten der Kreishandwerkerschaft (rechts Kreishandwerksmeister Elmar Moll).

Siegen. Ein kürzlich eingestellter Arbeitnehmer schreibt nach einigen Wochen an seinen Chef, dass der leider die Probezeit nicht bestanden habe. „Etwas provokant, vielleicht. Aber so könnte es schon bald wirklich aussehen“, sagt Joachim Heinbach. Der Qualifizierungsberater der Arbeitsagentur warf bei der Delegiertenversammlung der Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd einen Blick in die nahe Zukunft. Das Beispiel des Briefs, bei dem der Arbeitgeber in die Rolle des Bewerbers um Arbeitskräfte und Auszubildende rückt, sei keineswegs frei phantasiert: „Das ist die Situation, vor der Sie als Arbeitgeber demnächst stehen werden“, erklärte Joachim Heinbach. „Die besondere Herausforderung wird sein, dass Sie Fachkräfte an sich binden.“ Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Rente seien bekannt, nun würden allmählich die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sichtbar. Die Delegierten der südwestfälischen Handwerksinnungen nahmen das, was ihnen der Qualifizierungsberater der Arbeitsagentur beschrieb, sichtlich ernst. Seit längerer Zeit bereits befassen sich die Handwerksbetriebe mit dem drohenden Fachkräftemangel, denn die Auswirkungen der auf den Kopf gestellten Alterspyramide kommen in absehbarer Zeit in den Betrieben an. Deshalb hatte der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Jürgen Haßler, die Berater der Arbeitsagentur eingeladen, ihren Vortrag bei der Delegiertenversammlung zu halten. In den nächsten Jahren, so Heinbach, gehen der heimischen Wirtschaft schätzungsweise zehn Prozent der Arbeitskräfte verloren: „Das signalisiert uns eine Zeitenwende. Diese Zeitenwende hat bereits begonnen.“ Deshalb unterstützt die Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd die Betriebe auch mit Expertenwissen und Seminaren, um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Bei der Delegiertenversammlung stellten Joachim Heinbach und die Unternehmensberaterin Gerlinde Schönberg entsprechende Möglichkeiten vor. Gerlinde Schönberg widmete ihren Vortrag den verschiedenen Praxisfeldern, auf denen Betriebe sich künftig noch stärker engagieren müssen, um Arbeitskräfte zu finden und zu binden. So gilt es unter anderem, gesundheitsbelastende Arbeitsbedingungen zu vermeiden. „Die Belastungen sind seit dem Jahr 2000 stark gestiegen – das hat zu tun mit Stellenabbau, Arbeitsverdichtung, Zeitknappheit und noch mehr Verantwortung.“ Da könnten beispielsweise physiotherapeutische Angebote hilfreich sein. Belastende Arbeitssituationen könnten durch flexible Arbeitszeitmodelle und familienfreundliche Arbeitszeiten vermieden werden. Wichtig sei auch der Wissenstransfer: „Arbeitnehmer verlassen irgendwann den Betrieb und nehmen ihr Wissen mit. Überlegen Sie also, wie man rechtzeitig den Verbleib dieses Wissens sichern kann, zum Beispiel durch altersgemischte Teams.“ Wesentlich sei eine Unternehmenskultur, in der die älteren Mitarbeiter „nicht wie alte Eisen, sondern als Edelmetall“ behandelt werden. „Das wirkt sich auf die Jüngeren aus, denn die sehen ja auch, wie mit den Älteren umgegangen wird.“ Auch das Marketing spielt eine wichtige Rolle, um die Betriebe fit für den Wettbewerb um Arbeitskräfte zu machen: „Fragen Sie sich, wie attraktiv Sie als Arbeitgeber sind. Sind Sie in sozialen Netzwerken vertreten? Pflegen Sie Kontakte zu Schulen? Warum geht wer weg aus Ihrem Betrieb?“ All' dies sind Fragen, die sich für die Zukunft eines Unternehmens ebenso entscheidend auswirken können wie zahlreiche weitere Maßnahmen der Personalgewinnung und -bindung, auf die die Experten der Arbeitsagentur hinwiesen. Der neue Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein Andreas Müller stellte sich den heimischen Handwerkern offiziell vor. Er nahm an der Delegiertenversammlung der Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd als Zuhörer teil und betonte in seinem Grußwort den großen Wert des Handwerks als Kern des Mittelstands; es sei „unverzichtbar für die Entwicklung der Wirtschaft“. Die Kreisverwaltung bemühe sich, das Handwerk nach Kräften zu unterstützen. Ein Höhepunkt wird im nächsten Jahr eine gemeinsame Berufsabschlussfeier des heimischen Handwerks sein, für die der Landrat die Schirmherrschaft übernimmt. Kreishandwerksmeister Elmar Moll freute sich über die Unterstützung der Kreisverwaltung: „Ich denke, wir werden ein gutes Team.“ In seinem Rückblick stellte Elmar Moll fest, dass das Jahr 2014 für das heimische Handwerk durchaus zufriedenstellend verlaufen sei, besonders für das Bauhaupt- und Nebengewerbe. „Für andere Wirtschaftsbereiche, wie unter anderem auch das Kfz-Gewerbe, brachte 2014 aber auch die eine oder andere Delle mit sich.“ Zugleich betonte auch der Kreishandwerksmeister die Bedeutung des Handwerks: “Wir sind in der Tat die Wirtschaftsmacht von nebenan, und mit nahezu 1600 Mitgliedsbetrieben, 15000 Beschäftigten und einem Umsatzvolumen von circa 1,6 Milliarden Euro im Jahr brauchen wir uns nicht zu verstecken.“ Über eine Zahl freute sich Elmar Moll ganz besonders: „Wir haben erreicht – und dies ist sicher auch den Aktivitäten der Lehrlingswarte und der Berufsbildungszentren vor Ort zu verdanken – dass wir 2014 mehr Lehrverträge als 2013 hatten.“ Zugleich warnte Moll aber davor, in Selbstgefälligkeit zu verfallen: „Wir spüren gewissermaßen eine trügerische Ruhe. Der demographische Hammer kommt auch auf uns zu.“ Doch mit den Lösungsansätzen der Geschäftsführung, etwa der Marketing-Aktion „Mach Dein Ding“ zur Gewinnung neuer Ausbildungsplätze im Handwerk und weiteren Projekten, könne das Handwerk durch wichtige Eigenschaften punkten: Kreativität, Flexibilität und Vielseitigkeit. Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd, Jürgen Haßler, konnte in seinem Geschäftsbericht ebenfalls mit positiven Nachrichten aufwarten: „Wir haben zahlreiche neue Innungsbetriebe gewinnen können und dabei keinen prägnanten Verlust gehabt. Die Mitgliederzahl ist gut, insbesondere gemessen auch an dem landesweiten Durchschnitt.“